Neues Denken - Positives Denken

Ist Neues Denken mit dem Positiven Denken gleichzusetzen?

Ja, wenn es um bewußt veränderte Sichtweisen und Bewertungen im Sinne eines lebensbejahenden Zugangs zu allen Lebensbereichen und Problemfeldern geht.

Eine rational-realistische Bewältigung von Aufgaben, Problemen und Situationen - verbunden mit einer unterstützenden emotionalen Grundstimmung - enthält wesentliche Elemente des Positiven Denkens.

Nein, wenn Positives Denken so propagiert wird wie von seinen Hauptrepräsentanten ( J. Murphy, N. V. Peale, D. Carnegie oder E. F. Freitag). Sie arbeiten mit fragwürdigen Aussagen und Methoden wie Affirmationen, Heilsversprechungen, Erweckung überzogener Hoffnungen oder Aufforderungen, die Realitäten nicht wahrzunehmen. Durch Positives Denken sind danach prinzipiell alle Probleme des persönlichen Lebens lösbar. Dies wie auch der Rückgriff auf ein esoterisches Vokabular und eine mystifizierende Überhöhung unter Berufung auf die „höchsten Kräfte des Seins" ist sicher nicht mit dem Neuen Denken vereinbar.

Neues Denken erhebt gegenüber dem Positiven Denken nicht den Anspruch, schwere Störungen der Persönlichkeit allein durch „die Macht der Gedanken" beheben zu können.

Die neueste Gehirnforschung hat gezeigt, daß alle Wahrnehmungen und Denkvorgänge zunächst vor dem Bewußtwerden bereits einen zeitlichen Vorlauf im Gehirn haben. Das heißt: Bevor wir einen Entschluß fassen, verlaufen vielfältige neuronale Prozesse, von denen wir nichts wahrnehmen können. Deshalb bedeutet Neues Denken, gerade auch diese Fakten zu berücksichtigen. Es muß auch bedacht werden, daß die Erinnerung ebenso wie das „bewußte Denken" erst einen emotionalen Filter im limbischen System passieren müssen ehe sie tatsächlich bewußt werden.

Das heißt aber nicht, daß wir keinen Einfluß auf unsere Gedanken und Emotionen nehmen können.

In seinem Buch „Positives Denken macht krank - vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen" Eichbornverlag, Frankfurt am Main 1997, 211 S., setzt sich Günter Scheich sehr kritisch mit dem Positiven Denken auseinander. Aus der Sicht und Erfahrung eines praktizierenden Psychologen und Therapeuten, der zahlreichen Patienten begegnet ist, deren Selbsttherapie mit positivem Denken schiefgegangen war, sind seine Warnungen vor dem Positiven Denken sicher gerechtfertigt. Allerdings erscheint sein Hinweis, daß psychische Probleme weitestgehend nur mit professionell-therapeutischer Hilfe zu bewältigen sind, einseitig und verkürzt. Auch seine grundsätzliche Kritik am Anspruch, mit Denken Veränderungen herbeiführen zu können, ist überzogen und innerhalb seines eigenen Buchs durchaus widersprüchlich. Daraus leitet sich die Forderung ab, einfach erscheinende und vollen Erfolg versprechende Konzepte und Methoden kritisch zu hinterfragen. Neues Denken bedeutet hier: Argumente und Gegenargumente abzuwägen.

Mit dem Wissen um die Voraussetzungen von Wahrnehmung und Denken und die Bedeutung der Emotionen kann Denken sehr wohl das Denken selbst aber sogar auch die Emotionen beeinflussen.

Abgesehen von schweren Störungen mit Krankheitscharakter wie Ängste, Zwänge, Depressionen und organisch bedingten psychische Problemen hat die überwiegende Zahl von sogenannten „Alltagsproblemen" nicht diese Ursachen. Sie beruhen nicht auf tieferliegenden psychischen Erkrankungen. Sie sind durch auch ohne professionelle Hilfe lösbar.